Unser erstes großes Ziel in Patagonien war der Torres del Paine Nationalpark, ca. 4 Stunden nördlich von unserem Startpunkt Punta Arenas. Die Fahrt dorthin verlief problemlos und führte uns erstmals durch die Weite der patagonischen Pampa. Am Anfang ganz interessant, aber wie schon in Australien verliert diese Leere nach den ersten Stunden ihren Reiz und man fährt nur noch so vor sich an. Das änderte sich allerdings schlagartig, als wir uns dem Nationalpark näherten! Ab Puerto Natales führt nur noch eine 70 km lange Schotterpiste in den Park! Und auf dieser Fahrt erhält man den ersten Vorgeschmack auf das, was man im Park zu sehen bekommt: markante Berge, fjordähnliche Seen und Gletscher. Insgesamt kam es uns ein bisschen vor wie eine Mischung aus Lofoten, Schottland, Dolomiten, und einem gewissen Etwas, nennen wir es mal das patagonische „X“! Schon bei der Anfahrt mussten wir mehrfach anhalten, um den tollen Ausblick zu fotografieren, wobei wir auch die erste Bekanntschaft mit dem berüchtigten patagonischen Wind gemacht haben. Dachten wir zumindest, denn gegen das was uns noch bevorstand war das echt gar nichts! Da es zeitlich ganz gut gepasst hat, haben wir zum Sonnenuntergang einen Stopp am Mirador Condor eingelegt, von wo aus man einen tollen Blick auf die Cuernos hat. Der Sonnenuntergang war wirklich fantastisch, aber auch hier oben war der Wind nicht von schlechten Eltern, so dass ich ganz schön zu tun hatte, ein nicht verwackeltes Bild hinzubekommen. An den Gipfel war gar nicht zu denken, dort hatte ich wirklich Probleme stehen zu bleiben! Im Dunkeln ging es dann noch ein gutes Stück weiter zum Refugio Las Torres, wo wir nach einigem Suchen auch endlich den Zeltplatz gefunden haben und glücklich unser Abendessen verschlungen haben…
Nach einem überraschend gut funktionieren Kombi-Transfer aus Bus und Boot kam dann die Stunde der Wahrheit in Gestalt unserer Rucksäcke auf uns zu. Für die anstehende Fünftageswanderung „W-Trek“ mussten nämlich neben den üblichen Wanderklamotten auch Zeltausrüstung, Verpflegung, und natürlich Fotosachen mitgeschleppt werden. Das beachtliche Gewicht hat uns auch ganz schön zu schaffen gemacht, obwohl er erste Tag nur vier Stunden und kaum nennenswerte Steigungen vorsah. Entlang des Lago Grey näherten wir uns immer mehr dem Grey Gletscher, was man auch an den zahlreichen kleinen Eisbergen entlang des Ufers erkennen konnte. Der erste richtige Blick auf den Gletscher wurde uns aber gehörig durch den patagonischen Wind vermiest! Auf dem Aussichtspunkt war es so stürmisch, dass wir bei unserem ersten Versuch, mit Rucksack dort hoch zu kommen, grandios gescheitert sind. Katja wurde sogar in einen Busch geweht! Also nochmal ohne Rucksäcke nach oben und wenigstens versucht, ein brauchbares Bild hinzubekommen, aber sowas habe ich echt noch nie erlebt. Vorher dachte ich immer, wie kann das sein, dass jemand vom Wind einfach aus Latschen gehoben wird, aber jetzt kann ich das sehr gut nachvollziehen. Einer anderen Wanderin wurde von einem umherfliegenden Steinchen (!) sogar eine Kerbe ins Objektiv geschlagen, ich hatte aber Glück und meine Kamera hat es unbeschadet überstanden. Endlich am Zeltplatz angekommen wollten wir eigentlich im Refugio etwas essen, aber leider waren die schon ausgebucht uns so blieb uns nur das, was der Minimarkt hergab: Rührei mit weißen Bohnen und Mais und dazu eine Asia-Tüten-Suppe mit Beef-Aroma!
Den Sonnenaufgang verbrachten wir wie auch schon den Vorabend am Grey Gletscher, bevor wir uns auf den weiteren Weg zum nächsten Camp machen. Zuerst ging es den gleichen Weg zurück zum Paine Grande, den wir allerdings mit deutlich weniger Wind etwas mehr genießen konnten. Ansonsten konnte man entlang des Weges die Folgen einen verheerenden Brandes im Jahr 2012 erkennen, der der Landschaft einen etwas morbiden Charme verleiht. Das Campamento Italiano selbst ist dann eher etwas „ursprünglicher“, d.h. bis auf ein Plumpsklo und eine Rangerstation zur Anmeldung gibt es hier keinerlei Komfort.
Den Sonnenaufgang konnte ich direkt am Bach neben dem Camp genießen, bei dem für wenige Minuten der Paine Grande in fantastischem roten Licht angestrahlt wurde. Im Anschluss haben wir schnell (für unsere Verhältnisse) das Zelt zusammengepackt und haben uns auf den Weg ins Valle del Frances zum Mirador Britannico gemacht, von dem man einen tollen Blick auf sämtliche berühmten Berge des Parks hat. Da der Zeltplatz bis um zehn Uhr geräumt werden musste, haben wir sämtliches Gepäck mitgeschleppt – wie sich später herausstellen sollte waren wir die einzigen (!), die so dämlich waren… Alle anderen haben ihre Rucksäcke einfach im Camp stehen lassen und sind mit leichtem Gepäck los, da der Rückweg ja sowieso wieder dort vorbeiführt. So richtig konnten wir uns aber dann auch nicht mehr aufraffen, nochmal alles umzupacken (mein Rucksack inkl. Fotosachen musste ja schließlich mit!), also haben wir den Aufstieg wie echte Kerle (gell Katja J) mit dem kompletten Gepäck gemacht und nicht so wie die anderen Weicheier. So viel langsamer waren wir auch gar nicht, aber geschlaucht hat es ehrlich gesagt schon ganz schön. Der Blick war dafür allerdings wirklich atemberaubend! Nach diesem fünfstündigen Ausflug ins Valle del Frances lagen dann noch weitere 1,5 Stunden vor uns, die gegen Ende echt weh getan haben, vor allem Katja, die wieder Probleme mit ihrem Knie bekommen hat. Umso besser hat unsere gefriergetrocknete Trekkingnahrung mit Keks-Upgrade am Abend dann aber geschmeckt.
Der Tag begann mit einem echt fiesen Sonnenaufgang – fies deswegen, weil ich kein richtiges Motiv vor der Linse hatte, und aus dem Frühstücksraum die ganze Zeit dieses Schauspiel bewundern musste. Da weint das Fotografenherz… Aber es machte Hoffnung für den nächsten Morgen! Über den Weg zum Campamento Las Torres an sich lässt sich eigentlich gar nicht so viel sagen, außer dass er laut Wanderführer mit 8,5 Stunden veranschlagt ist und wir aber nur 7 Stunden gebraucht haben. Weiterhin haben wir an diesem Tag unsere eigene Skala entwickelt: die (nach oben nur durch die noch vorhandene Menge begrenzte) Austsche Snickers-Skala zur Messung von Erschöpfung, Schmerz und Frustration! Während wir die Tage vorher locker mit einem Snickers für uns beide ausgekommen sind, waren an diesem Tag sogar zwei nötig, also eine glatte 2 auf der Austschen Snickers-Skala! Das Campamento Las Torres war wieder eher ursprünglich gehalten, lag dafür aber nur 45 Minuten unterhalb der Base Las Torres, von wo aus man einen tollen Blick auf die namensgebenden Gipfel Las Torres hat, die ein wenig an die Drei Zinnen in den Dolomiten erinnern. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, zum Sonnenuntergang mein Glück zu versuchen, und bin nach einer leckeren Tüte Trekkingfutter nochmal aufgebrochen. Katja ist aus knietechnischen Gründen lieber unten geblieben, da wir ja am nächsten Morgen sowieso nochmal aufsteigen wollten. Farbe gab es leider keine im Himmel, aber trotzdem war der Anblick schon sehr imposant. Der Abstieg im Dunklen durch Geröll und Wald war allerdings nicht mehr ganz so lustig und ich war froh, als ich wieder unten im Camp war!
Und weil es gestern Abend so viel Spaß gemacht hat, stand für den heutigen Morgen nochmal der Aufstieg zur Base las Torres auf dem Programm, wird dieser doch schließlich sowohl vom Rother Wanderführer als auch vom Lonely Planet empfohlen! Um auf jeden Fall rechtzeitig oben zu sein, klingelte der Wecker um 5:00 Uhr, so dass wird pünktlich um 6:15 Uhr oben am Aussichtspunkt waren und uns noch schön zwei Stunden lang den A**** abfrieren konnten, nur um festzustellen, dass es mit dem erhofften Alpenglühen an diesem Morgen wohl nichts werden würde. Die Frustration war entsprechen hoch und der fehlende Ausschlag auf der Austschen Snickers-Skala ist wohl nur darauf zurückzuführen, dass wir a) nur noch eine Snickers hatten und b) dieses unten im Camp lag… Trotz allem darf man nicht vergessen, dass es überhaupt schon ein Glück ist, die Torres überhaupt zu sehen, ein Anblick der wohl vielen verwehrt zu bleiben scheint! Wieder unten im Camp haben wir erstmal in Ruhe gefrühstückt und uns dann ganz gemächlich an den Abstieg gemacht. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie wir uns über unser Auto gefreut haben…
Der W-Trek ist wirklich eine herausragende Wanderung, die uns allerdings ganz schön an unsere Grenzen gebracht hat. Zwar sind wir Mehrtageswanderungen in den Alpen gewöhnt, aber die Zeltausrüstung und Verpflegung bringen schon nochmal das ein oder andere Kilo mit sich, was gepaart mit der nicht unerheblichen Fotoausrüstung (die die meisten anderen Wanderer NICHT dabei haben) doch schon ein ganz ordentliches Zusatzgewicht bedeuten. Trotz aller Strapazen waren die Eindrücke wirklich atemberaubend und wir hatten richtig Glück mit dem Wetter. Klar hat es mal gestürmt und am Campamento Las Torres sogar ein wenig geschneit, aber wer hätte schon gemacht, dass wir nicht einmal die Regenklamotten brauchen??? Teilweise musste wir uns vor lauter Sonne sogar eincremen und konnten im T-Shirt wandern! Es kann also gerne so weiter gehen…
Nachdem wir wieder am Auto angekommen waren, haben wir den restlichen Tag ganz entspannt mit der Fahrt zum Campamento Pehoé verbracht, wo wir unser nächstes Lager aufgeschlagen haben. Der Sonnenuntergang mit Blick auf die Cuernos war einfach fantastisch! Im Anschluss haben wir den Tag genüsslich bei Nudeln, einer Flasche Wein und einem Lagerfeuer ausklingen lassen…
Dr. Gerhard Aust
Hobby Photographer
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